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Anlaufstelle, für Männer* und TIN*, die in Kindheit, Jugend oder als Erwachsene sexualisierter Gewalt ausgesetzt waren

© 2015 Tauwetter e.V.

Stellungnahme von Tauwetter zu präventiver Arbeit mit Pädophilen

Tauwetter hat Ende letzten Jahres eine Stellungnahme zu einem Diskussionspapier einer Unterarbeitsgruppe des Runden Tisches erarbeitet. Dieses Diskussionspapier ist im Zwischenbericht über den Runden Tisch veröffentlicht worden. Es geht in ihm um den Vorschlag, zukünftig bundesweit Männern mit einer so genannten "pädophilen" Neigung, die aber keine sexuelle Gewalt ausüben wollen, u.a. Verhaltenskontrolle beizubringen. Dazu sollen sexualmedizinische oder psychiatrische Abteilungen von Kliniken gefördert werden. Es geht also darum, wofür Geld eingesetzt wird und zwar ziemlich viel. Dieses Geld wird für andere Projekte natürlich nicht zur Verfügung stehen. Wir haben kritisiert, dass dieser Vorschlag auf einem reduzierten Ursachenverständnis von sexueller Gewalt basiert und wissenschaftlich nicht genügend fundiert ist. Dieses Papier ist in unseren Augen nicht "State of the Art".

Wir möchten diese Stellungnahme hier auch einer breiteren Öffentlichkeit zur Verfügung stellen: Zum einen wollen wir unsere Arbeit transparent machen, zum anderen sehen wir aber auch eine gefährliche Tendenz in der breiteren, öffentlichen Diskussion: Die Täter werden vielfach als pädophil bezeichnet, sie werden je nach Stellung als bedauernswerte Kranke, die Hilfe brauchen, oder als Abartige betrachtet. jedenfalls sind sie irgendwie anders als alle normalen Menschen und wir haben eigentlich mit Ihnen nichts gemeinsam. So wird das Problem abgeschoben, und es sollen sich irgendwelche Fachleute darum kümmern. Sexuelle Gewalt geht uns aber alle an: Es sind nicht irgendwelche Monster, die sexuelle Gewalt verüben, keine schmierigen Typen mit Handtäschchen, sondern ganz normale Männer (und Frauen) die Machtverhältnisse ausnutzen. Sie erhöhen ihr Selbstwertgefühl dadurch, dass sie andere herabsetzen - und das ist etwas, wo sexuelle Gewalt plötzlich ganz viel mit dem normalen Verhalten von vielen zu tun hat. Wenn jetzt sexuelle Gewalt als Folge einer unheilbaren Perversion erklärt wird, werden die Erkenntnisse aus der jahrelangen praktischen Arbeit und aus der wissenschaftlichen Forschung beiseite gewischt. Gleichzeitig wird aber so getan, als wäre diese Sichtweise, die wahre fachliche und wissenschaftliche. Dem ist nicht so. Wir hoffen das unsere Stellungnahme zu einem weniger mystifizierenden und realitätsnäherem Blick in der öffentlichen Diskussion beitragen kann.

Wie ist es überhaupt zu dieser Stellungnahme gekommen und worauf bezieht sie sich:

Der Runde Tisch der Bundesregierung, der überlegen soll, was gegen sexuelle Gewalt zu unternehmen ist, ist in drei Arbeitsgruppen aufgeteilt, die jeweils von den zuständigen Ministerien geleitet werden. Die Arbeitsgruppe zum Thema Forschung wird vom Forschungsministerium, die zum Thema Justiz vom Justizministerium und die zum Thema "Prävention, Information und Intervention" wird vom Familienministerium geleitet. Schon hier wird deutlich, dass diejenigen, die im letzten Jahr die öffentliche Auseinandersetzung los getreten haben, nämlich erwachsene Männer, die als Jungen sexuelle Gewalt erleben mussten, eigentlich schon in den Namen der Arbeitsgruppen gar nicht mehr vorkommen.

Die Arbeitsgruppe "Prävention, Information und Intervention" hat sich in vier Unterarbeitsgruppen (UAG) aufgeteilt:

  • UAG I zum Thema „Kinder und Jugendliche stärken – Prävention in der (Sexual-) Erziehung"
  • UAG II zum Thema „Hilfen für Betroffene – Weiterentwicklung des Beratungsnetzwerkes"
  • UAG III zum Thema „Standards in Institutionen, Einrichtungen und Verbänden"
  • UAG IV zum Thema „Ausbau primärpräventiver Diagnostik- und Behandlungsangebote"

Die Leitung der UAG II „Hilfen für Betroffene - Weiterentwicklung des Beratungsnetzwerkes" hat festgestellt, dass es sinnvoll wäre Fachwissen aus der praktischen Arbeit stärker einzubeziehen und hat deshalb u.a. Tauwetter als Facheinrichtung gebeten, an den Diskussionen der UAG teilzunehmen. Deshalb sind wir auch an der Diskussionen der AG selber beteiligt.

In allen Unterarbeitsgruppen sind Diskussionspapiere erstellt worden. Diese wurden in den Arbeitsgruppen diskutiert und in einem Zwischenbericht veröffentlicht worden sind. Dieser Zwischenbericht lässt sich auf der Homepage www.rundertisch-kindesmissbrauch.de herunter laden.

Eines dieser Diskussionspapiere war in der Arbeitsgruppe „Prävention - Information - Intervention" heftig umstritten: Der Entwurf der UAG IV „Ausbau primärpräventiver Diagnostik- und Behandlungsangebote". Wir sind später gebeten worden, dazu eine Stellungnahme abzugeben. Das haben wir getan und wir möchten sie eben hier auch einer breiteren Öffentlichkeit zu Verfügung stellen.

Zu unserer Arbeit am Runden Tisch wollen wir noch grundsätzlicher etwas sagen:

Wie gesagt, sind wir als Facheinrichtung angesprochen worden. Das begrüßen wir natürlich, denn Praktiker_innen aus Fachstellen sind nach wie vor nur wenige am Runden Tisch. Dass wir eine betroffenenkontrollierte Beratungsstelle sind, hat dabei keine Rolle gespielt, eher dass wir eine der ganz wenigen Einrichtungen sind, die mit erwachsenen männlichen Betroffenen arbeiten.

Die Positionen von Betroffenen, wie sie z.B. auf dem Kongress "Aus unserer Sicht" entwickelt worden sind, sind dem Runden Tisch zwar vorgetragen worden, aber da es keine gleichberechtigten Vertreter_innen am Runden Tisch gibt, hängt es vom Wohlwollen einzelner ab, ob diese Positionen dort berücksichtigt werden. Wir versuchen natürlich die inhaltlichen Positionen des Kongresses einzubringen, sind aber weder legitimiert als Vertretung, noch ist unsere Teilnahme das, was eine gleichberechtigte Einbeziehung von Betroffenen am Runden Tisch darstellt. Der Blick in die Liste der teilnehmenden Organisationen zeigt schon, dass dies eine Ansammlung, von Dachverbänden, Juristen, kirchlichen Einrichtungen, Verwaltungen und Wissenschaftler_innen ist. Und dazu kommt, dass wir lediglich in einer einzigen UAG und AG vertreten sind - das, was in den anderen geschieht erfahren wir auch erst durch Veröffentlichungen. Eine angemessene Interessenvertretung von Betroffenen am Runden Tisch ist nicht gegeben.

Zu den Diskussionen in der UAG II "Hilfen für Betroffene - Weiterentwicklung des Beratungsnetzwerkes", an denen wir direkt beteiligt sind, müssen wir feststellen, dass sie teilweise sehr schwierig sind. Jenseits des von allen geteilten Zieles, Opfern sexueller Gewalt Unterstützung zukommen zu lassen, gibt es sehr unterschiedliche Interessen und Einschätzungen. Gleichzeitig ist zu bemerken, dass auch in dieser UAG, erwachsene Betroffene nicht im Fokus stehen, sondern der Schwerpunkt der Auseinandersetzung auf der Unterstützung für betroffene Kinder liegt. (Damit wollen wir nicht sagen, dass dies nicht wichtig ist, es ist aber nicht alles.) Auch existieren verschiedene Vorstellungen, wie denn adäquate Hilfe aussehen sollte: Mehr Fachkenntnis in allgemeinen Beratungsstellen, regionale Kompetenzzentren oder ein flächendeckendes Netz von Facheinrichtungen.

Es lässt sich insgesamt feststellen, dass auch die Positionen von parteilichen Fachstellen zu wenig Platz in dieser Diskussion finden - was auch nicht weiter erstaunlich ist, da sie ja auch kaum vertreten sind. Die parteilichen Fachstellen arbeiten im Moment daran, eine gemeinsame Stellungnahme zu veröffentlichen.

Wir machen uns keine großen Illusionen über das, was wir am Runden Tisch erreichen können. Spätestens, wenn es um Dinge geht, die Geld kosten, wird es schwierig. Wir halten unsere Mitarbeit aber dennoch für sinnvoll. Auch in den großen Lobbyorganisationen und Verbänden gibt es immer wieder Menschen, mit denen wir konkret am Runden Tisch gemeinsame an einem Strang ziehen können. Das wollen wir tun. Und vielleicht bewegt sich ja zumindest in einigen kleinen Dingen etwas.

Adresse

Tauwetter e.V.
Gneisenaustr. 2a  
10961 Berlin
030 - 693 80 07

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