Für den Fall meines Todes kann es durchaus passieren, dass auch Eltern, die mir als Kind sexualisierte Gewalt angetan haben, von mir erben. Das kann auch mit anderen Verwandten geschehen. Da wird es aber noch mal komplizierter, wer wann etwas erben kann. Wir reduzieren uns hier erst einmal auf Eltern, im Prinzip kann ich aber jeden auf ähnliche Art und Weise enterben.
Wer erbt was? – die gesetzliche Erbfolge
Wenn kein Testament vorliegt ist es grundsätzlich so, dass Kinder als Erste erben. Erst wenn ich keine Kinder habe, sind meine Eltern dran. In Konkurrenz dazu kann noch ein*e Ehegatt*in oder ein*e Partner*in aus eingetragener Lebenspartnerschaft kommen. Er*Sie bekommt ¼ (wenn die eigenen Kinder diejenigen sind die sonst noch erben) oder die Hälfte (wenn es die eigenen Eltern sind). Das nennt sich gesetzliche Erbfolge.
Mittels eines Testaments kann ich aber diese gesetzliche Erbfolge abändern und zur Not jemand anders als meine Eltern zum Erben bestimmen. Dafür brauche ich keine Begründung. Ich kann auch gemeinnützige Organisationen wie Tauwetter oder Personen, mit denen ich nicht verwandt bin, als Erben einsetzen. In einer Broschüre des Bundesjustizministeriums wird erläutert, wie ein Testament auszusehen hat. Das ist nicht sonderlich kompliziert. Zur Sicherheit kann ein Testament bei einem Amtsgericht hinterlegt oder mit Hilfe eines Notars verfasst werden. Das ist aber nicht notwendig.
Aber: Es bleibt den Eltern, auch wenn sie enterbt sind, immer noch ein Pflichtteil in Höhe der Hälfte des gesetzlichen Anspruches.
Entziehen des Pflichtteils braucht Beweise
Dieser Pflichtanteil kann nur unter ganz engen Bedingungen entzogen werden. Unter anderem, wenn der Pflichtanteilsberechtigte ein Verbrechen oder ein schweres vorsätzliches Vergehen gegen mich, meine*n Frau*Mann oder meine*n Partner*in, meine Kinder oder ähnlich nahestehende Personen verübt hat. Hier wird es bei sexualisierter Gewalt kompliziert: Im Strafgesetzbuch wird zwischen „einfachem sexuellem Missbrauch an Kindern" und „schwerem sexuellem Missbrauch an Kindern" unterschieden. Der „einfache Missbrauch" gilt als Vergehen, der „schwere" als Verbrechen. Ob das Vergehen „einfacher sexueller Missbrauch" nun „schwer und vorsätzlich" ist, hängt von den Tatumständen ab und entscheidet normalerweise der Richter. Damit wird schon klar, dass für einen Entzug des Pflichtteils eine Verurteilung sehr praktisch ist. Grundsätzlich reicht es nicht, im Testament zu schreiben „Ich enterbe ... und entziehe den Pflichtanteil, weil ich sexualisierter Gewalt durch ... ausgesetzt war." Die Person, der ich den Pflichtanteil entzogen habe, kann nämlich juristisch dagegen angehen, auch schon, wenn ich noch lebe. Es ist also mehr als sinnvoll, Beweise anzuführen, damit der Entzug des Pflichtteils auch einer juristischen Überprüfung standhält.
Ich kann also mit einem einfachen Testament jederzeit Eltern oder andere Verwandte, die mir sexualisierte Gewalt angetan haben, enterben. Sie bekommen dann nur noch einen Pflichtteil. Wenn ich denen auch den Pflichtteil entziehen will, sollte ich anwaltlichen Rat einholen.
Aber ganz grundsätzlich gilt, wo nicht ist kann nichts geholt werden. Das bedeutet, wenn ich alles ausgegeben habe und mir nichts gehört, kann auch niemend etwas erben.
Auch Vormundschaft lässt sich regeln
Auch wer Vormund für eventuell vorhandene Kinder werden soll, lässt sich in einem Testament regeln. Das Familiengericht muss dann diesem Willen folgen. Näheres findet sich auf der Seite Sorgerecht.
Infomaterial:
Das Bundeministerium für Justiz und Verbraucherschutz hat eine Broschüre zum Thema Erbrecht heraus gegeben. Sie trägt den Titel „Erben und Vererben" und kann auf der Website des Ministeriums herunter geladen werden.
Achtung! Vorbehalt!
Grundsätzlich gilt: Das, was wir hier schreiben ist zwar nach bestem Wissen und Gewissen, kann aber nur ein grober erster Hinweis sein. Es kann keine fundierte Rechtsberatung ersetzen, die wir im Fall der Fälle dringend empfehlen.
Letzter Eintrag 25.1.2024