Wir sind in einer permanenten Diskussion darüber, wie wir dafür sorgen können, dass die Qualität unserer Arbeit nicht nur gleich gut bleibt und steigt, sondern vor allem, wie wir das feststellen können. Dazu haben wir eine Reihe von Überlegungen angestellt, die sich im aktuellen Konzept wiederfinden.
Ebenso wie das Konzept überarbeiten wir derzeit auch das Qualitätsmanagment. Dazu gehören z.B. die Regelungen für das Verhalten der Mitarbeiter*innen aber auch das Beschwerdemanagement. Sobald die einzelnen Teile fertig sind, werden wir sie hier einfließen lassen.
Wir haben das Qualitätsmanagement in zwei Teile eingeteilt, die Anlaufstellen-übergreifenden Aspekte, die den gesamten Verein betreffen und diejenigen, die primär die Anlaufstelle betreffen.
Qualitätsmanagement des Vereins
Qualitätssicherung durch Leitbild und Richtlinien
- Der Trägerverein macht mit dem Leitbild eine allen Mitarbeiter*innen bekannte, klare Vorgabe, welche die Haltung beschreibt, die von den einzelnen Mitarbeitern* als Grundlage der Tätigkeit gefordert wird. Dieses Leitbild ist Teil der Arbeitsverträge und über die Website für alle Nutzer*innen einsehbar und transparent.
- Ferner gelten für alle Mitarbeiter*innen Richtlinien, welches Verhalten und welche Handlungen nicht zulässig sind. Ergänzend sind die Rechte der Nutzer*innen explizit beschrieben. Diese „Rechte der Ratsuchenden / Pflichten der bei Tauwetter Tätigen" sind ebenfalls Teil der Arbeitsverträge und werden den Nutzer*innen ergänzend zur Homepage durch Aushang in den Räumen von Tauwetter bekannt gemacht.
Diese Regeln für das Verhalten von Mitarbeiter*innen werden gerade überarbeitet, und werden sobald abgeschlossen hier aktualisiert.
Beschwerdemanagement
Das Beschwerdemanagement wir derzeit komplett überarbeitet und es wird in Zukunft unter anderem eine externe Ansprechpartner*in geben. Wir tragen das hier so schnell wie möglich nach, bis dahin fragt im Zweifel bitte nach.
Hier jetzt das bisherige alte Beschwerdemanagment:
Für Fälle der Verstöße gegen die „Rechte und Pflichten", aber auch für Beschwerden anderer Art, gibt es ein Beschwerdemanagement. Ansprechpartner ist der Vereinsvorstand. Satzungsgemäß ist eine Mitgliedschaft im Verein von Personen, die in der Anlaufstelle tätig sind, ausgeschlossen, so dass Interessenkollisionen vermieden werden und der Vereinsvorstand unabhängig bleibt. Der Vorstand ist u.a. durch einen anonym zugänglichen Briefkasten erreichbar. Er stellt sich den Mitgliedern der Selbsthilfegruppen auf einem jährlichen Treffen vor.
Er ist verpflichtet Beschwerden nachzugehen, sie sorgfältig zu prüfen und ggf. rechtliche Konsequenzen zu ziehen. Zur Unterstützung für die Beschwerde Führenden oder für sich selber kann er eine externe Beratungsstelle hinzuziehen.
Personalentwicklung
Die Mitarbeit sämtlicher bei Tauwetter Tätigen, egal ob ehrenamtlich, in Honorartätigkeit oder Festangestellte, ist durch schriftliche Arbeitsverträge geregelt. In diesen sind das erwähnte Leitbild und die „Rechte und Pflichten" verankert. Ferner ist eine Entbindung einer eventuellen vorherigen Arbeitsstelle von der Schweigepflicht bezüglich des Vorkommens oder einer Vermutung auf sexuelle Grenzverletzungen, Übergriffe oder Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, sowie die Verpflichtung zur Vorlage eines erweiterten polizeilichen Führungszeugnisses enthalten. Ebenfalls wird in den Arbeitsverträgen eine fachlich angemessene Regulierung von Nähe und Distanz zu den Nutzer*innen eingefordert.
Bei der Einstellung neuer Mitarbeiter* ist nicht nur die klare Positionierung derselben gegen sexualisierte Gewalt Bedingung. Es wird darüber hinaus die Bereitschaft zur permanenten Weiterqualifizierung und Selbstreflektion des eigenen Verhaltens und der eigenen Rolle erwartet.
Qualitätsmanagement der Anlaufstelle
Bei einer an individuellen Problemlagen orientierten Arbeit kann Qualität weniger über standardisierte Abläufe, als über Qualifikationen der Mitarbeiter*innen und eine begleitende Qualitätskontrolle erreicht werden. Die Anlaufstelle ist bestrebt, durch präzise Aufgabenbeschreibungen und Anforderungsprofile die Grundlage für eine qualitative hochwertige Arbeit zu legen. Gleichzeitig dienen ausführliche Intervisionen und Reflektion der Arbeit der permananten Weiterentwicklung. Neue Mitarbeiter*innen werden von erfahrenen Mitarbeitern*innen ausführlich eingearbeitet. Die Teilnahme an Fortbildungen, um eventuell bestehende Lücken zu schließen, wird von ihnen erwartet. Zur fortwährenden Aktualisierung des Wissens dienen die Teilnahme an Fachdiskussionen (Tagungen, Kongresse, etc.), sowie das Studium aktueller Fachzeitschriften.
Neben den oben aufgeführten übergreifenden Vorgaben des Trägers zur Qualitätssicherung gelten für die Mitarbeit in der Anlaufstelle die folgenden Anforderungen:
Qualitätssicherung durch Mitarbeiter*innenqualifikation
Nach dem Betroffenenkontrollierten Ansatz von allen Mitarbeiter*innen erwartet, dass sie über reflektierte Erfahrungen in der Bearbeitung ihnen widerfahrener, sexualisierter Gewalt verfügen. Sie müssen sich entscheiden, diese aktiv als Ressource zu nutzen, d.h. von den Mitarbeiter*innen wird verlangt:
- Reflektion der eigenen Erfahrungen und des Umgangs damit
- Kompetenz und Bereitschaft zur Kommunikation über das eigene Erleben
- Fähigkeit, die eigenen Erfahrungen für andere sichtbar machen
- bewusster Einsatz eigener Erfahrungen, um z.B. Hemmschwellen zu verringern oder Zuschreibungen in Frage zu stellen
- die Fähigkeit, verschiedene Perspektiven einzunehmen.
Von allen Mitarbeiter*innen wird erwartet, Nutzer*innen als kompetent und Expert*innen für sich selber wahr zu nehmen. Dies beinhaltet:
- Offenheit, sich in den eigenen Vorstellungen und Werten irritieren zu lassen
- die Grundhaltung, sich lernend stetig weiter zu entwickeln
- einen Umgang mit Stigmatisierungen, der diese in ihren Funktionen aufdeckt
- eine kritische Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Rahmenbedingungen.
Dies sind Fähigkeiten und Kompetenzen, die weder durch eine Ausbildung allein, noch durch eigene Betroffenheit allein zu erlangen sind. Es ist deshalb davon auszugehen, dass es einer ausführlichen Einarbeitung und Lernphase bedarf und eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen wird, bis endgültig über die Mitarbeit eine*r Bewerber*in entschieden werden kann.
Die konkreten Aufgaben der Mitarbeiter* ergeben sich aus den benannten Angeboten. Um diese Aufgaben zu bewältigen sind je nach Arbeitsbereich nötig:
- Grundlagenwissen zu sexualisierter Gewalt
- Fachwissen zu männlichen* Bewältigungsstrategien und Bearbeitungsmöglichkeiten
- Fachwissen zu den Bewältigungstrategien und Berabeitungsmöglichkeiten von TIN*
- Kenntnisse über Aufgabenverteilungen im Hilfe- und Strafverfolgungssystem
- Grundkenntnisse in Psychopathologie und therapeutischen Vorgehensweisen
- Kompetenzen und Qualifikationen in den Bereichen
- Beratung,
- Selbsthilfegruppenbegleitung
- Didaktik
- Öffentlichkeitsarbeit
- Koordination & Verwaltung.
Diese Kompetenzen können zum Teilt durch sozialpädagogische, psychologische und/oder ähnliche Aus- und vor allem Weiterbildungen erworben werden. Sie können aber auch aus gleichwertigen Qualifikationen, Berufspraxis etc. stammen. Selbsthilfegruppenarbeit ist darin ein wichtiger Bestandteil.
Qualitätssichernde Strukturen
Die Tätigkeit der Anlaufstelle wird durch den Trägerverein überwacht.
Eine Tätigkeit in der Anlaufstelle und eine gleichzeitige Mitgliedschaft im Trägerverein sind nicht möglich, um eine unzulässige Vermischung und mögliche Interessenkollision zu verhindern.
Als permanentes Feedback dient zum einen das jährliche Treffen von Selbsthilfegruppenmännern*, aber auch das Beschwerdemanagement.
Sicherung der Prozessqualität
Zur Sicherung der Prozessqualität haben die Mitarbeiter*innen der Anlaufstelle vor und nach jedem Einzelgespräch, aber auch nach jeder Begleitung einer Selbsthilfegruppe ausreichend Zeit, den stattgefundenen Prozess und sich selber zu reflektieren. Dies gilt ebenso für andere Tätigkeiten, wie Informationsveranstaltungen etc.
Die Mitarbeiter*innen treffen sich zu regelmäßigen Teamsitzungen, auf denen sowohl die Arbeit der einzelnen Mitarbeiter*innen besprochen wird, als auch eine konkrete Intervision einzelner Beratungsprozesse oder Gruppenbegleitungsprozesse möglich ist. Dies dient u.a. dazu die verschiedenen Vorkenntnisse und Qualifikationen der Mitarbeiter*innen gewinnbringend zu nutzen. Des Weiteren gibt es die Möglichkeit, auch Mitarbeiter*innen einzubeziehen, die nicht direkt, z.B. in eine Gruppenbegleitung, verwickelt sind und so eine Außensicht einzuholen.
Ferner erhalten die Mitarbeiter*innen zur Sicherung der Prozessqualität regelmäßig Supervision.
Ergebnisqualität
Die Ergebnisqualität würde sich am besten durch eine kontinuierliche Evaluation der Arbeitsergebnisse sichern lassen. Dies ist bei den unterschiedlichen Angeboten nur in unterschiedlichem Ausmaß möglich:
Beratungsgespräche: Eine systematische Evaluation bspw. per Fragebogen ist aufgrund der dafür notwendigen Kapazitäten nicht möglich. Dies gilt erst recht für Follow-Up-Untersuchungen. Ein direktes Feedback in Form von späteren Dankesschreiben erfolgt zwar unregelmäßig, erfüllt aber natürlich keine Ansprüche an Repräsentativität.
Das indirekte Feedback durch Rückmeldungen von Kolleg*innen aus anderen Einrichtungen über Berichte von Nutzer*innen ist zwar differenzierter, aber genauso wenig repräsentativ.
Hier wäre eine externe wissenschaftliche Begleitung und Evaluation der Beratung wünschenswert.
Selbsthilfegruppen: Ein Erfolgsindikator im Selbsthilfebereich ist die Dauer der Selbsthilfegruppen: Ein Überstehen des ersten schwierigen Halbjahres ist grundsätzlich als Indiz für einen erfolgreichen Gruppenstart zu werten, eine außergewöhnlich lange Gruppendauer von über 5 Jahren kann hingegen nicht per se als Erfolg bewertet werden, hier bedarf es einer genaueren Prüfung der Ursache. Ein weiterer Indikator ist die regelmäßige Inanspruchnahme der Selbsthilfegruppen.
Um Erfolge und Schwierigkeiten der Selbsthilfegruppenarbeit, Verbesserungsmöglichkeiten und Kritik zu besprechen findet ein jährliches gemeinsames Treffen von Selbsthilfegruppenteilnehmern* und Mitarbeiter*innen in Form eines Grillfestes statt. Des Weiteren wird durch die immer wieder stattfindenden Neueinstiege von ehemaligen Gruppenteilnehmer*innen in die Mitarbeit bei Tauwetter ermöglicht, dass Erfahrungen aus den Gruppen in die Gruppenbegleitung zurück fließen.
Informationsveranstaltungen: Bei Informationsveranstaltungen im gesellschaftlichen Umfeld der Betroffenen ist eine Rückmeldung durch die jeweiligen Kooperationspartner*innen fester Bestandteil der Nachbereitung. Bei Informationsveranstaltungen für beruflich mit dem Thema Befasste wird soweit möglich am Ende per Teilnehmer*innen-Fragebogen evaluiert. Ähnliches gilt für Beiträge / Workshops auf Fachtagungen und Kongressen.
Die Tätigkeit der Mitarbeiter*innen der Anlaufstelle wird von diesen selbst erfasst und dokumentiert.
Letzter Eintrag 11.03.2024