Das vergessene Leid der Verschickungskinder

Es ist mal wieder klassisch, obwohl ich mich seit Jahrzehnten mit der mir widerfahrenen sexualisierten Gewalt in meiner Ursprungsfamilie beschäftige, habe ich eine andere mir widerfahrene Gewalt immer als Ausnahme und Einzelfall begriffen: Der Sadismus, die körperliche Gewalt und die Demütigungen, die mir und meinen Geschwistern während der Verschickung auf „Kur“ in ein „Kindererholungsheim“ in Bad Rothenfelde widerfuhr. Erst ein Fachartikel machte mir den Irrtum deutlich: Die Tatsache, dass diese Gewalt, für mich eine zeitlich begrenztes, einmaliges Ereignis in der im Alltag zu Hause stattfindenden Gewalt war bedeutet nicht, dass sie selten war. Acht bis zwölf Millionen Kinder wurden in solche Heime verschickt und dort war (auch sexualisierte) Gewalt an der Tagesordnung. Seit einigen Jahren gibt es endlich Zusammenschlüsse von Betroffenen (www.verschickungsheime.de) und eine kleine Fachöffentlichkeit wird sich des Themas bewusst. Es gibt noch viel zu tun.

Der erwähnte Artikel von Anja Röhl befindet sich übrigens in dem Sammelband „Das Schweigen brechen“ der Unabhängigen Aufarbeitungskommission, in dem sich eine Reihe weiterer lesenswerter Beiträge befinden. Weitere Literatur ist auch dort zu finden.